Beitragvon HM Krause » 25.10.2005, 16:58
Jubelstimmung in Landsberg: Der Aufsteiger und Tabellenführer untermauert auch am sechsten Spielwochenende seine Ausnahmestellung und hat beim 6:2 über die BlueDevils Weiden wenig Mühe und entzaubert auch die Stuttgart Wizards mit 8:2. Oberschwäbische Schützenfeste: Der EV Ravensburg gewinnt gegen Riessersee und in Miesbach zwei Mal mit 10:1. Begeisterung im Allgäu: Der EV Füssen gewinnt nach 2:6-Rückstand in Crimmitschau und gewinnt das Heimspiel gegen Oberhausen zu Null. Road-Trip mit HappyEnd: Die Weidener Fans werden in Berlin für die Reisestrapazen entschädigt. Auch ihr Team wendet das Match trotz eines 2:6-Rückstandes.
„Neutrale Besucher“ bei den Spielen der Eishockey Oberliga kommen derzeit voll auf ihre Kosten. Nahezu jedes Spiel schreibt seine eigene Geschichte, ist geprägt von Kuriositäten und bietet im Anschluss genügend Gesprächsstoff.
Am Freitag Abend überraschte der EC Peiting mit einem deutlichen 8:2-Erfolg über die Bayreuth Tigers. Weniger spektakulär als die Torschützen Florian Barth (2), Kyle Doyle (2), Klaus Müller, Daniel Jonsson, Thomas Maier und Markus Keppeler für Peiting und Kalle Konsti (2) für Bayreuth agierten die Herren O’Grady, Maier, Hemmerich, Voigt und Bovenschen. Erstgenannter wollte im Mittelabschnitt ein Bully mit hohem Stock (am Helm des Gegenspielers) für sich entscheiden, was Schiedsrichter Friesenegger gar nicht toll fand. Auch im letzten Drittel griff er rigoros durch, als TigersGoalie Voigt sich gegen Barth wehrte und Hemmerich dem Peitinger Stürmer für eine vorangegangene aufreizende Aktion gleich in den Schwitzkasten genommen hatte. Die wesentlich aufregendere Keilerei fand zeitgleich in der Eismitte statt: Bovenschen und Maier lieferten sich einen Faustkampf ohne Handschuhe. Auch drei Minuten vor Spielende boten zwei Akteure Zündstoff: Hain checkte Bigam Das Resultat der „Eishockey-Schlacht“: 153 Strafminuten, eine Matchstrafe und drei Spieldauerstrafen gegen die Tigers sowie eine Spieldauer gegen Peiting. Dabei hätte es rein sportlich eine knappe Auseinandersetzung werden können: Im Spiel 5 gegen 5 stand es 3:2 für Peiting, doch die mehrfachen fünfminütigen Überzahlspiele waren spielentscheidend.
Mit 13 (!) Spielern – incl. Ersatzgoalie – bestritten die Tigers dann im heimischen Bayreuth ihr Sonntagsspiel gegen Heilbronn, das nach aufopferungsvollem und im Vergleich zum Freitag wesentlich faireren Kampf „nur“ mit 3:5 verloren ging. Die Falken konnten das Match dank zweier Ausnahmekönner (Caudron und Kovalev), die beide doppelt trafen, für sich entscheiden. Innerhalb von nur 78 Sekunden hatten sie aus einem 1:2-Rückstand eine 4:2-Führung gemacht (2. Drittel). Schon am Freitag liefen die Heilbronner Falken gegen die Roten Teufel Bad Nauheim, die in keinster Weise wie ein „Kellerkind der Liga“ aufspielten, einem Rückstand hinterher. Die Teufel führten durch Kainulainen und Mader bis zur 49. Minute mit 2:0, erst dann erzielte Pielmeier den Anschlusstreffer (49.). Schöbel (56.) und Cespiva (57.) beruhigten die eigenen Fans und sorgten dafür, dass die Falken doch noch als Sieger vom Eis gingen.
Das Gefühl des Triumphes verspürten am Freitag Abend vor 2.482 Zuschauern auch die weiter ohne ihren verletzten Starverteidiger Hofverberg spielenden Eispiraten in Crimmitschau. Denn als Slivchenko und Nathan Waberski beide mit ihrem zweiten Tor des Abends in der 29. und 30. Minute das Zwischenergebnis auf 6:2 geschraubt hatten, da war der Sieg greifbar nahe. Sie hatten aber die Rechnung ohne die schon in der Vorwoche erstarkten Leoparden aus Füssen gemacht. Runkel traf zum 3:6 (33.) und das Schlussdrittel ging nach aufopferungsvollem Kampf verdient mit 3:0 an die Gäste. Auch die erste Runde im Penaltyschiessen brachte keinen Sieger (Irrgang und Hätinen wurden je ein Mal überwunden), doch der vor Wochen noch viel gescholtene Dan Heilman verwandelte auch seinen zweiten Versuch zum 7:6-Endstand für Füssen. Trotz der sicher stimmungsreichen Rückfahrt aus Sachsen zeigten sich die Leoparden auch am Sonntag torhungrig: Sie fegten dank sechs verschiedener Torschützen die völlig überforderten RevierLöwen aus Oberhausen mit 6:0 vom Eis. Bei Letzteren stellt sich die Trainersuche nach solchen Ergebnissen auch schwieriger dar, als angenommen.
Apropos Trainersuche: Der SC Riessersee sorgte nach dem Rausschmiss von Trainer Georg Holzmann auch an diesem Wochenende für wenig ruhmreiche Schlagzeilen. Peter Gailer, zuvor DNL-Coach, sollte als Interimstrainer die Mannschaft betreuen, bis mit einem anderen Kandidaten (im Gespräch waren Georg Kink und Andreas Brockmann) Einigung erzielt werden kann. So erlebte er am Freitag Abend also das Spiel des SCR von der Trainerbank aus - doch schon während der Partie hatte er vom Auftreten „seiner Mannschaft“ die „Schnauze voll“. Er unterrichtete nach dem zweiten Spielabschnitt seinen Chef Ralph Bader über seinen Rücktritt: "Er hat mir gesagt, dass er sich seinen guten Namen nicht kaputt machen lässt", beschreibt Bader das Gespräch. Gailer lehnte es auch ab, das 1:10-Waterloo in der Pressekonferenz nach Spielende zu erklären. "Die Mannschaft braucht einen harten Hund, in der kurzen Zeit kann ich nichts bewegen", so die nachdenklich stimmenden Worte eines frustrierten Ein-Abend-Coaches. Beim 2:4 am Sonntag Abend gegen Hannover (die damit ihre weiteste Reise der Saison hinter sich gebracht haben…) standen Mark McArthur und Florian Leitner (beide gesperrt) hinter der Bande, die Taktik bestimmte Kapitän Derek Mayer. Am Dienstag soll notfalls auch allein trainiert werden, allerdings deutet viel darauf hin, dass Kink fortan das Zepter schwingen wird. Seinem Engagement steht nur noch ein „Personalproblem“ im Weg – was das auch immer heißen mag.
Des einen Leid’ ist des anderen Freud’: Der nicht geahnte Triumph des EV Ravensburg ebnete den Weg für ein „historisches Wochenende in der Vereinsgeschichte der Oberschwaben“ und ganz nebenbei auch den Vormarsch auf Tabellenplatz 6. Denn mit dem gleichen fulminanten Ergebnis wurde am Sonntag auch der TEV Miesbach demontiert: Das bedingungslose Forechecking des EVR brachte den gewünschten Erfolg, wovon im ersten Abschnitt vor allem Alan Reader „profitierte“. Er nutzte die Gunst der Stunde zu einem lupenreinen Hattrick – und das binnen dreieinhalb Minuten. Nach späteren Treffern von Peter Campbell (2), Mike Muller, Andreas Loth, Alexander Rusch und Mike Dolezal verließen viele Anhänger der Miesbacher das Stadion. Sie verpassten den Ehrentreffer des TEV, womit das „vollkommene Glück“ von EVR-Goalie Dillmann, ein Shutout, vermiest wurde. Dennoch: Die Oberschwaben zeigen endlich ihr wahres Können, werden in dieser Form ihrem Anspruch und dem der heimischen Fans gerecht.
Überregional fieberte die Liga an diesem Wochenende mit den zahlreichen Fans der BlueDevils Weiden mit. Die teuflischen Anhänger der Oberpfälzer hatten eine vierzigstündige Busreise gebucht: Am Freitag ging’s zum Tabellenführer nach Landsberg, wo die Chancenlosigkeit ihrer Schützlinge der eigenen Freude und Stimmung keinen Abbruch tat. Nach 30 Minuten stand es 4:1 für die Hausherren, die Gäste fühlten sich beim Anblick der Herren McPherson, Mitchell, Webb und Guggemos an die „gute alte Piskor-Blaha-Strömberg-Reihe“ erinnert. Mit Präzision und Stärke hielt der EVL die Gäste in Schach. Unterdessen erfreuten sich die busfreudigen Fans an einer selbst inszenierten Polonaise durchs Landsberger Eisstadion – wie schön, wenn zwei Fangruppen ein Eishockeyspiel derart genießen können.
Am nächsten Morgen, nach entsprechend wenig Schlaf und mit heiserer Stimme, trafen sich die Devils-Fans erneut: „Wir fahren nach Berlin, Berlin“. Bei den zuletzt starken Eisbären gelang den Jungs von Jiri Neubauer vor den Augen jener treuen Fans ein Eishockey-Wunder. Auch hier führte das Heimteam mit 6:2. Doch dann schlug die Stunde von Kastner, Karhula, Piskor, Ondruschka und Schwarz. Ihre Tore wurden frenetisch gefeiert, sie wendeten eine „coole“ Partie. Obwohl die Eisbären mit einem halben Dutzend DEL-Spielern angetreten war, ergatterten die Gäste 2 Punkte, die sich damit für die Heimniederlage vor zwei Wochen, als die Eisbären drei Sekunden vor Spielende den Ausgleich erzielt hatten, ebenso spektakulär revanchierten.
Allein diese geschilderten Spiele waren ihr Eintrittsgeld wert. Die Eishockey Oberliga hat, trotz ihrer unbestritten traurigen Seiten (man beachte die Entwicklungen in Stuttgart, Oberhausen, Bad Nauheim, Riessersee) an diesem Wochenende die Aussagekraft des Slogans dieser Sportart unterstrichen: Coolest Game on Earth… so betreibt man Eigenwerbung.
(IHP)
Die Wirklichkeit ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel !!!
Oliver Uschmann - "Hartmut und Ich"